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Kraftwerke lassen Fischen kaum Wasser


RESTWASSERSANIERUNGEN ⋅ Seit 1992 haben die Kantone Zeit, das Gewässerschutzgesetz umzusetzen. Trotzdem lässt im Kanton Luzern erst jedes vierte Kraftwerk genügend Wasser durch. Der Bund fordert nun zum Handeln auf.


Eine aktuelle Umfrage des Bundesamtes für Umwelt bei den Kantonen zeigt: Nur wenige Kantone haben die Sanierung älterer Kraftwerke – also solcher, die vor dem neuen Gewässerschutzgesetz von 1992 gebaut wurden – vollständig vorgenommen. Die Kantone hätten bereits bis Ende 2012 dafür sorgen sollen, dass Flüsse unterhalb von Kraftwerken oder Entnahmestellen wieder genügend Restwasser führen, damit Fische überleben können und die biologische Vielfalt erhalten bleibt. So hat es das Volk damals beschlossen, und so gilt es beim Bau neuer Kraftwerke heute. Der Bund fordert, dass die Kantone nun vorwärtsmachen.

Luzern gehört dabei zu denjenigen Kantonen, die am ärgsten im Rückstand sind: Nur 31 Prozent der betroffenen Kraftwerke wurden bisher angepasst. Konkret entsprechen 4 von 13 sanierungspflichtigen Anlagen dem 25 Jahre alten Gesetz.

Werner Goeggel, Abteilungsleiter in der Dienststelle Umwelt und Energie (UWE) des Kantons Luzern, macht keinen Hehl daraus, dass man vom Soll weit entfernt ist: «Wir sind uns dessen bewusst, dass wir im Verzug sind», sagt er. Die Begründung in der Kurzfassung: «Wir haben schlicht nicht genügend personelle und finanzielle Ressourcen.»



Koordination mit Hochwasserschutz

Weshalb dem so ist, führt Goeggel weiter aus: Die Sanierung der Restwasserentnahmestellen werde mit anderen Vorhaben an den betroffenen Wasserkraftwerken koordiniert, zum Beispiel mit Hochwasserschutzprojekten oder mit der Erneuerung der Konzessionen der Kraftwerke. Dieses Vorgehen würde den Sanierungsprozess aufwendiger machen. Zudem ist Luzern mit seinen 16 Kraftwerken – viele davon an der Reuss und der Kleinen Emme – kein typischer Wasserkraftkanton. «Wichtig ist der Hochwasserschutz», so Goeggel. Es mache aus dieser Perspektive wenig Sinn, die Kraftwerke zu überprüfen und zu sanieren, solange die Frage nach dem Hochwasserschutz nicht geklärt sei. Gerade an der Kleinen Emme und der Reuss sind grössere Verbauungen geplant. Nur: Aktuelle Hochwasserschutzprojekte verzögern sich teils um Jahre (wir berichteten). Auch ist der Hochwasserschutz als Grund für die mangelhafte Restwassersanierung nur teilweise hinreichend – schliesslich trat das Gesetz dazu schon lange vor den verheerenden Schäden im Sommer 2005 in Kraft, welche viele Grossprojekte zum Unwetterschutz erst notwendig machten.

Urs Brütsch, verantwortlich für Gewässerprojekte beim WWF Zentralschweiz, vermutet denn auch, dass die nur schleppend voranschreitenden Anpassungen auf mangelnden politischen Willen zurückzuführen sind. «In Luzern steht eher im Vordergrund, die Wasserkraft zu stärken als den Naturschutz», sagt er. Die Konsequenz: «Wenn der politische Wille fehlt, ist es für die Verwaltung schwierig, die notwendigen Massnahmen umzusetzen. Es bräuchte schon politische Signale, um das zu ändern.» Dieses Fazit zieht Brütsch auch aus Beobachtungen der Kantonsratsdebatten, wenn es um Gewässerthemen geht.

Grundsätzlich erachtet Brütsch aus heutiger Sicht das Vorgehen als richtig, die Restwassersanierung zusammen mit anderen anstehenden Massnahmen wie dem Hochwasserschutz und den Revitalisierungsprogrammen zu koordinieren. Aber wenn es dort auch nicht vorwärtsgehe – und dafür ist auch die aktuelle Finanzlage im Kanton mitverantwortlich –, bleibe die Situation «unbefriedigend».



In Perlen kommt die Seeforelle nicht vorbei

Zurzeit stehen bei vier Kraftwerken Neukonzessionierungen an. Bei den Kraftwerken Perlen (Reuss), Emmenweid (Kleine Emme) und Ölmühle Briseck (Luthern, Zell) soll bei dieser Gelegenheit neben dem höher gewichteten Hochwasserschutz auch die Restwassersanierung geklärt werden. In Perlen, wo die Papierfabrik die Kraftwerke betreibt und die Konzession erneuern möchte, hat der WWF mit anderen Umweltorganisationen aber Einsprache erhoben. Auch bei der überarbeiteten Auflage ist man unter anderem mit der vorgesehenen Restwassermenge nur bedingt einverstanden. Der Spielraum für die Kantone besteht darin, so viel Restwasser durch die Wehre fliessen zu lassen, damit die Wirtschaftlichkeit noch gewährleistet ist. «Diese Menge sollte sich aber in erster Linie nach den vorhandenen Fischarten ausrichten», erklärt Brütsch.

Davon gibt es in der fischreichen Reuss etwa 20. Die grösste davon ist die Seeforelle, die zum Laichen auch die Reuss hinabwandert. Sie braucht eine konstante Mindestwasserhöhe von 45 bis 55 Zentimetern. Doch zurzeit würde ihr auch das nichts nützen: Nach dem Unwetter 2005 wurde die Fischtreppe am Kraftwerk Perlen zerstört, sie ist ebenfalls Gegenstand der Neukonzessionierung. Hier liegt die Federführung aber beim Amt für Landwirtschaft und Wald, nicht beim UWE. Beim Hochwasserschutz wiederum ist das Amt für Verkehr und Infrastruktur zuständig. Das Beispiel Perlen zeigt, wie das Restwasserproblem mit anderen Anliegen verzahnt ist. Der Koordinationsaufwand dürfe aber nicht zu Ungunsten des Lebensraums gehen: «Wenn die Kraftwerke schon für die nächsten 80 Jahre saniert werden, dann richtig», so Brütschs Fazit.

Vorgesehen hat der Kanton, dass die beschriebenen Kraftwerke bis 2020 saniert sind. Für die übrigen sechs Kraftwerke liegt noch kein Sanierungsplan vor. «Lösungen sind aber angedacht», ergänzt Goeggel. Noch hat der Bund keine Sanktionen für säumige Sanierungen angedroht. Wenn sich die politischen Prioritäten im Kanton Luzern also nicht ändern, tröpfelt die Restwassersanierung noch ein paar Jahre vor sich hin.



Uri ist der Musterschüler

Während Luzern bei der Restwasser­sanierung hinterher hinkt, sind andere Zentralschweizer Kantone weiter: Vorbildlich agiert Uri, wo 57 Wasserkraftwerke für Strom in der Steckdose sorgen. Alle 21 sanierungspflichtigen Werke entsprechen dort schon heute dem Gesetz. Auf gutem Weg sind die Obwaldner, die 37 Kraftwerke betreiben und die zwei verbleibenden Sanierungen 2018 abschliessen wollen. In Schwyz gibt es 25 Kraftwerke, zwölf davon wurden saniert, eine Sanierung ist noch offen. In Zug sind 82 Prozent der 11 Kraftwerke saniert. In Nidwalden, wo 13 der 25 Werke betroffen sind, sind es immerhin noch sieben – bei vier soll noch dieses Jahr ein Grundsatzentscheid fallen.



Sonnenbarsch bedrängt einheimische Fischarten

Auch wenn die Fische dereinst wieder barrierefrei durch die Luzerner Gewässer schwimmen sollten – nicht alle Arten sind so erwünscht wie die Seeforelle, die ungekrönte Königin unter den einheimischen Fischen. Nicht willkommen in unseren Flüssen und Seen sind die Arten wie Hundsfisch, Goldfisch, Blaubandbärbling, Gefleckter Tolstolob oder – etwas schlichter – Sonnenbarsch und Katzenwels. «Seit rund acht Jahren haben wir den Sonnenbarsch im Rotsee. Zuerst waren es nur wenige, mittlerweile schätzen wir, dass er sich auf über 1000 Exemplare vermehrt hat», sagt Rotseewärter Hugo Burkard, der auch die Fischereipatente ausgibt. Kürzlich wurde im Rotsee auch zum ersten Mal ein Schwarzbarsch gefangen. Dieser grosse Vertreter der Gattung Sonnenbarsch stammt ursprünglich aus Nordamerika und ist wegen seiner Beissfreudigkeit ein beliebter Fisch für Angler. Der Verdacht, dass er bewusst eingesetzt wurde, ist nicht von der Hand zu weisen. Immerhin können diese Tiere bis 70 Zentimeter gross werden, die meisten messen zwischen 30 bis 40 Zentimeter.



«Wir sind froh, haben wir nicht den Wels im Rotsee»

«Die Anwesenheit des Schwarzbarschs wie auch des Sonnenbarschs haben eine unerwünschte Veränderung der Fauna zur Folge. Sie konkurrenzieren die einheimischen Fischarten», sagt der kantonale Fischereiaufseher Thomas Küng. So sei der zwischen 15 und 30 Zentimeter grosse Sonnenbarsch zwar wunderschön anzusehen, verhalte sich aber äusserst aggressiv gegenüber anderen Fischen im selben Lebensraum. Er verdränge den einheimischen Gründling, der in Uferregionen zu Hause ist.

Die Auswirkungen fremder Arten sind nicht nur im Rotsee schwer bestimmbar. Sie werden auch nicht aktiv bekämpft. Allerdings sind keine Schonzeiten oder Schonmasse festgelegt. Wenn gefangen, dürfen die Tiere nicht zurückgesetzt werden. Für Hugo Burkard ist das Problem mit den invasiven Arten im Rotsee derzeit überschaubar. «Wir haben keine Chance, gegen diese Fische vorzugehen, und müssen mit der Situation leben. Wir sind schon froh, haben wir nicht den Wels im See.» Dieser Fisch, der ausgewachsen eine Grösse von über zwei Meter erreichen kann, ist in anderen Gewässern – vermutlich bewusst als Beutefisch für Angler – eingesetzt worden, was verboten ist. Im Sempachersee sowie im Vierwaldstättersee ist er vor über zehn Jahren zum ersten Mal aufgetaucht, wie Berufsfischer Thomas Hofer aus Oberkirch sagt. Der Fisch hat sich mittlerweile um ein Vielfaches vermehrt, was sich auf das Ökosystem auswirken könnte: «Es besteht immer auch die Gefahr, dass mit fremden Tieren Krankheiten eingeschleppt werden», sagt Hofer. Für Berufsfischer sei der Wels uninteressant. «Es ist wichtig, dass die Leute wissen, dass sie mit dem Einsetzen von artfremden Fischen in den Gewässern grossen Schaden anrichten.»




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